»Ideen, wie Auszeiten im Leben zur Regel werden«
»Ein Teilzeitmodell, das Platz für Pausen lässt«
[…]»Es gibt viele Gründe, eine Auszeit zu nehmen. Als Axel Mengewein entschied, beruflich kürzerzutreten, gab es mehrere Impulse, die für eine Pause sprachen. Er wollte sich weiterbilden, sich um seine Mutter kümmern, aber auch lang gehegte Träume verwirklichen: eine Weltreise machen, ein Buch schreiben und endlich den schwarzen Gürtel in Taekwondo erlangen. Um all das zu erreichen, nutzte der Journalist mehr als 10 Jahre lang verschiedene Möglichkeiten der Teilzeit. »Teilzeit ist ein völlig legitimer Weg, sich Zeit für Dinge zu nehmen, die einem wichtig erscheinen. Wir müssen nur Teilzeit neu denken lernen und uns trauen, uns Zeit für uns selbst zu nehmen«, sagt er.
Für die Weiterbildung wechselte Mengewein in eine 4-Tage-Woche. Später baute er sich ein Teilzeitmodell, das regelmäßig feste Auszeiten vom Job vorsah. 2 Wochen Vollzeit, dann 2 Wochen frei. Oder 3 Wochen arbeiten, dann 1 Woche frei. Das sei sein Lieblingsmodell: »Der Monat hat 30 Tage, man arbeitet aber nur an 15 Tagen. Fühlt sich an wie 50%, man bekommt aber 80% des Gehalts.«
Der Trick bestehe darin, trotz Reduzierung für eine längere Phase in Vollzeit zu arbeiten und so Zeit anzusammeln. Die Überstunden fließen in ein Zeitkonto, das später eingelöst werden kann, um eine längere Auszeit zu nehmen. Kombiniert mit dem gesamten Urlaub eines Jahres oder 2 aneinandergefügten Jahresurlauben, ist damit eine Auszeit von 5–6 Monaten möglich. Eine deutliche Stundenreduktion mit harten Einschnitten beim Gehalt sei dafür gar nicht notwendig, sagt Mengewein. Schon mit einer Stelle im Umfang von 80 oder 90% ließen sich Auszeiten ansparen.
Wichtig sei dabei eine frühzeitige und vorausschauende Planung sowie gute Kommunikation mit dem Arbeitgeber. Dann könnten sogar beide Seiten von dem Teilzeitmodell profitieren, sagt er. Mitarbeitende seien motivierter, die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit werde begünstigt. Früher hätten Beschäftigte teure Kuren beantragen müssen, um sich mal für einige Wochen um sich selbst kümmern zu können. Heute wüssten viele Chefs, dass sie nicht mehr drumherum kämen, ihren Angestellten flexible Arbeitsmodelle anzubieten.
Axel Mengewein: Sobald man Teilzeit macht, leistet man freiwillig keine unbezahlten Überstunden mehr, weil sowohl die Personalabteilung als auch man selbst auf die reduzierten Wochenarbeitsstunden achtet. In Vollzeit plus Überstunden mit ständiger Erreichbarkeit fehlt einem doch meist Zeit für fast alles. In meinen Freiwochen kann ich mich um die Dinge kümmern, die mir wichtig erscheinen.
Stefan Boes: Wie lässt sich mit einer Teilzeitregelung ein Modell entwickeln, das eine längere Auszeit von mehreren Wochen oder sogar Monaten ermöglicht?
Axel Mengewein: Ein gutes Teilzeitmodell ist die »2-Jahres-Teilzeit mit zehnprozentiger Reduzierung« oder auch als »Weltreise-Teilzeit« benennbar. Vorausgesetzt, es greift die Brückenteilzeit.
Stefan Boes: Dann haben Beschäftigte ein Recht auf Rückkehr in eine Vollzeitstelle. Aber was bedeutet Weltreise-Teilzeit genau?
Axel Mengewein: Man reduziert die Wochenarbeitszeit um 10% für 2 Jahre. Die dadurch gewonnene Reduzierung bündelt man zu Wochen. Feiert sie am Stück ab, kombiniert sie mit dem jeweiligen Jahresurlaub.
Stefan Boes: Wie könnte das konkret aussehen?
Axel Mengewein: Ich möchte es am Beispiel einer lieben Freundin verdeutlichen. Um ihre Weltreise zu ermöglichen, hatte sie sowohl ihren Jahresurlaub aus 2 Jahren als auch eine kleine Teilzeitregelung für einen begrenzten Zeitraum genutzt. Im ersten Jahr hat sie Vollzeit ihre 40 Stunden pro Woche gearbeitet. Und zwar bis zum Spätherbst. Dann den Jahresurlaub am Stück genommen. Dann Teilzeit bis zum Jahreswechsel. Dann wieder mit Teilzeit im Jahr 2 beginnend und den Jahresurlaub direkt im Anschluss an die Teilzeit. Vollzeit ab Frühling bis zum Jahresende im Jahr 2. Dann ging es »normal« weiter.
Stefan Boes: In der Regel darf man Urlaubstage nicht ins nächste Jahr übertragen.
Axel Mengewein: Ja, aber ein Aneinanderfügen zweier Jahresurlaube geht oft ganz gut. In manchen Jahren wirken sich die Feiertage auch noch günstig auf die Weltreise-Teilzeit aus. Wenn ich es grob überschlage, komme ich auf 5–6 Monate Auszeit.
Stefan Boes: Indem man jeweils etwa 6 Wochen Jahresurlaub aus 2 Jahren nutzt und je nach Arbeitsvertrag 8–12 Wochen freihat wegen des Teilzeitmodells.
Axel Mengewein: Genau. Damit kommt man schon recht weit und behält die Option auf Rückkehr in die Vollzeit, wenn man hierfür die Brückenteilzeit nutzen kann.
Stefan Boes: Das Recht auf Teilzeit ist gesetzlich festgeschrieben. Die Brückenteilzeit, also das Recht auf eine Rückkehr zur Vollzeit, gilt für größere Betriebe. Wie aber kann ich einen Arbeitgeber davon überzeugen, einem so ungewöhnlichen Modell wie der Weltreise-Teilzeit zuzustimmen?
Axel Mengewein: Dafür gilt: »Communication is the key«! Die Vorteile für den Arbeitgeber sollten überwiegen. Die Freundin zum Beispiel, von der ich sprach, nimmt ihren jeweiligen Jahresurlaub in den Wintermonaten und ist in der Sommerzeit und somit bei den großen Schulferien dienstbereit und entlastet so den Dienstplangestalter. Abgesehen von einer extrem motivierten Mitarbeiterin wird auch die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit begünstigt.
Für die Mitarbeiterin ist von Vorteil, dass mit rund 90% der Bezüge die Kosten für die Reise hinreichend gedeckt sind und die Erholungs- und Erlebniswirkung maximiert wird. Der lange Vorlauf kann die Planung einer Weltreise vereinfachen, so kann man hier Frühbucherrabatte und günstige Reisetickets ergattern.
Der Trick bei den Teilzeitmodellen besteht darin, die durch die Reduzierung anfallende freie Zeit anzusammeln und sie dann am Stück abzufeiern. Wer aber zum Beispiel auf 50% reduziert und dann auf halbtags umsattelt, was bei einer Kinderbetreuung sinnvoll sein kann, kommt nur schwer in den Genuss eines Mini-Sabbaticals.
Stefan Boes: Stundenreduzierung können sich nicht alle Beschäftigten leisten. Sie haben über 10 Jahre Teilzeit gearbeitet. Wie haben Sie das finanzielle Problem gelöst?
Axel Mengewein: Ich habe es über die Reduzierung meiner Ausgaben gelöst. Ich wurde Minimalist, habe meine Fixkosten auf rund 200 Euro im Monat reduziert und war Couchsurfer, ohne eigene Wohnung. Das ist nicht für jeden etwas, aber es geht wirklich. Dazu muss man natürlich seine Komfortzone verlassen. Das fordert Mut und auch Kraft, sich seinen alten Glaubenssätzen zu stellen wie: »Denk an die Rente«, »In deinem Alter muss man Vollzeit arbeiten« und »Für viel Geld muss man viel und hart arbeiten«. Es gibt immer andere Wege, die man gehen kann. Seine eigenen. Und nicht die, die man vielleicht von den Großeltern und Eltern, der Gesellschaft, Freunden, Familie vorgelebt oder gar aufgebürdet bekommt.
Stefan Boes: Welchen Rat geben Sie Beschäftigten, die in ein Teilzeitmodell einsteigen wollen?
Axel Mengewein: Mein Tipp: Brückenteilzeit einfach mal für 3 Jahre testen. Rund 80% statt Vollzeit sind ein praktikables und beliebtes Modell. Die frei gewordene Zeit ansparen und am Ende der 3 Jahre für die eigene Entwicklung und persönliches Wachstum nutzen. Wichtig ist, dass man die Zeit wirklich für sich nutzt.
Stefan Boes: Arbeiten Sie selbst zurzeit in Teilzeit?
Axel Mengewein: Tatsächlich arbeite ich gerade in einer Vollzeitphase und das völlig freiwillig. Das war mit meinem Arbeitgeber vereinbart. Ich wollte mir, was auch für viele Leser:innen Sinn machen könnte, die Rückkehroption in die Vollzeit erhalten. Sprich, wieder mein volles Gehalt beziehen dürfen. Warum sage ich das jetzt, als glühender Verfechter von Teilzeit-Freiheit? Weil niemand das Leben kontrollieren kann. Manchmal ändern sich in kürzester Zeit die Lebensumstände so stark und man ist vielleicht auf mehr Geld angewiesen. Wer hätte schon vor Corona gedacht, dass mobiles Arbeiten mal so verbreitet sein würde. Ich bin auch Team Sicherheit und freue mich, dass ich diese Optionen behalten habe. Nur erlaube ich mir, die Wochenarbeitszeit künftig auch wieder zu reduzieren.« […]